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Haftung des Automobilherstellers gemäß § 826 BGB gegenüber dem (Gebrauchtwagen-)Käufer und Wegfall des Schadens durch Software-Update

BGH, Urteil vom 18.05.2021, AZ: VI ZR 452/19
Hintergrund
Der BGH beschäftigte sich erneut mit einem Fall im Zusammenhang mit dem Kauf eines Dieselfahrzeugs, welches mit einem Motor der Baureihe EA189 ausgestattet war. Der Kläger hatte dies am 14.06.2012 bei einem Autohaus gebraucht erworben. Es handelte sich um einen VW Passat 2.0 TDi. Dieser war mit einer Steuerungssoftware ausgestattet, welche erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand und den neuen europäischen Fahrzeugzyklus durchlief oder ob es im normalen Straßenverkehr benutzt wurde. Dies führte dazu, dass im Prüfstandsbetrieb die Software eine im Vergleich zum Normalbetrieb erhöhte Abgasrückführungsrate bewirkte.

Daraufhin konnten die Grenzwerte der Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 eingehalten werden.Auf die Einstufung der Abgassteuerung derartiger Motoren als unzulässige Abschalteinrichtung durch das KBA hin rief die Beklagte die mit der Baureihe EA189 ausgestatteten Fahrzeuge zurück, um eine geänderte Software aufzuspielen. Dies geschah beim Fahrzeug des Klägers am 20.09.2016. Der Kläger begehrte mit seiner Klage dennoch Schadenersatz in Höhe von 24.267,91 € (Kaufpreis zzgl. Finanzierungskosten abzgl. Nutzungsvorteile). Zusätzlich machte er noch seinen Zinsschaden geltend.

In den Vorinstanzen (LG Mainz, Urteil vom 08.02.2019, AZ: 9 O 83/19; OLG Koblenz, Urteil vom 07.11.2019, AZ: 1 U 247/19) blieb der Kläger erfolglos. In der Revision wurde das Urteil des OLG Koblenz aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung seitens des BGH dorthin zurückverwiesen.

Aussage
Der BGH sah die Begründung des Berufungsgerichts, mit welcher ein Schadenersatzanspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB abgelehnt wurde, als nicht zutreffend an. Der Schadenersatzanspruch bestehe ungeachtet des Umstands, dass der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen erworben habe. Der Senat habe im Urteil vom 25.05.2020 (AZ: VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 16 ff.) festgestellt, dass das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen der mit der Manipulationssoftware versehenen Motoren auch gegenüber Gebrauchtwagenkäufern als mittelbar Geschädigten objektiv sittenwidrig wäre. Damit habe das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten gegenüber einem Gebrauchtwagenkäufer von vornherein ausscheide. Der Schaden sei auch nicht dadurch entfallen, dass im September 2016 ein Softwareupdate durchgeführt worden war.

Werde jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar sei.

Der Geschädigte müsse sich von dieser auf einem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Allein schon eine solche Verpflichtung stelle gemäß § 826 BGB einen zu ersetzenden Schaden dar. Aufgrund des Aufspielens ein es Softwareupdates werde der ungewollte Vertragsschluss rückwirkend nicht zu einem gewollten.

Praxis
Im Hinblick auf die Fahrzeugkäufe im Zusammenhang mit der bekannten Problematik der Manipulationssoftware entscheidet der BGH mittlerweile konsequent. Gegenüber dem Hersteller sieht er Schadenersatzansprüche durchaus als gegeben an und begründet dies mit der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Käufer. Dies gilt nicht nur gegenüber dem Erstkäufer, welcher das Fahrzeug als Neuwagen erwirbt, sondern auch gegenüber dem späteren Gebrauchtwagenkäufer. Auch ändert sich durch den Umstand, dass das Softwareupdate aufgespielt wurde, nichts daran, dass der Käufer weiterhin einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Hersteller hat. Zu betonen ist, dass sich die Ansprüche ausschließlich gegen den Hersteller richten. Zu trennen davon sind Ansprüche gegenüber dem Händler. Dieser kann in der Regel nicht aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Anspruch genommen werden.
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