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Verbringungs- und Desinfektionskosten sind zu erstatten

AG Elmshorn, Urteil vom 30.11.2021, AZ: 54 C 117/21
Hintergrund
Die Parteien streiten über restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall. Die Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Uneinigkeit besteht lediglich hinsichtlich eines Restbetrages in Höhe von 212,92 €. Dieser ergibt sich aus den Kosten für eine  Fahrzeugverbringung und der pandemiebedingten Desinfektion des klägerischen Fahrzeugs.

Aussage
Nach Ansicht des AG Elmshorn ist die Klage nur teilweise begründet. Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadenersatz verpflichtet ist, den Zustand her-zustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Erforderlich im Sinne der Vorschrift ist der Geldbetrag dann, wenn es sich um Aufwendungen handelt, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten – insbesondere seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten – zu nehmen. Diesen sind insbesondere dann Grenzen gesetzt, wenn der Geschädigte einen Reparaturauftrag erteilt und die Angelegenheit in die Hände von Fachbetrieben begeben hat. Soweit den Geschädigten an einer etwa zu hohen Abrechnung durch die beauftragte Werkstatt kein Mitverschulden trifft, hat der Schädiger daher als Herstellungsaufwand auch diejenigen Mehrkosten zu tragen, welche diese infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat.

Hat der Geschädigte einen Reparaturauftrag erteilt, genügt er den Anforderungen an seine Darlegungs - und Beweislast hinsichtlich der erforderlichen Kosten in der Regel durch Vorlage der entsprechenden Reparaturrechnung. Die Erforderlichkeit der in der Rechnung ausgewiesenen Kosten wird dabei grundsätzlich indiziert. Darüber hinaus darf der Geschädigte auf die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens in der Regel vertrauen. Der Geschädigte ist daher insbesondere dann, wenn die Reparaturkosten in der geforderten Höhe in dem zuvor eingeholten Gutachten benannt sind, nicht dazu verpflichtet, die durchgeführte Reparatur und die insoweit abgerechneten Positionen im Einzelnen zu hinterfragen oder sich Rechnungen von Drittfirmen oder interne Kalkulationen des Reparaturbetriebes vorlegen zu lassen. Zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes ist er nicht verpflichtet. Der Schädiger trägt grundsätzlich das Prognose – und Werkstattrisiko. Entsprechend dieser Grundsätze geht das AG Elmshorn davon aus, dass die im Streit stehenden Verbringungskosten in Höhe von 120,00 € vollumfänglich von der Beklagten zu regulieren sind. Diese Kosten waren bereits in der benannten Höhe in dem vorgerichtlich eingeholten Schadengutachten kalkuliert. Der unfallgeschädigte Kläger musste entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht die Fremdrechnung des Lackierbetriebes einsehen. Er durfte vielmehr darauf vertrauen, dass die Verbringungskosten in entsprechender Höhe auch angefallen sind und angemessen waren.Auch die in Rechnung gestellten Kosten für die coronabedingte Desinfektion des Fahrzeugs sind von der Beklagten zu tragen. Diese zusätzlichen Schutzmaßnahmen dienen sowohl dem Schutz der eigenen Mitarbeiter als auch dem Schutz der Fahrzeugnutzer und sollen Ansteckungen vermeiden. Der Kläger durfte auch hier unterstellen, dass die geltend gemachten Kosten angefallen und erforderlich sind. Jedenfalls aber sind die Kosten nicht erkennbar überhöht.Soweit die Beklagte behauptet, dass die Werkstatt Mehrkosten zu Unrecht oder überteuert abgerechnet hat, ist dieser Einwand nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls gegenüber dem Kläger unerheblich. Für ein etwaiges Mitverschulden des Klägers ist weder etwas vorgetragen noch ist ein solches Mitverschulden ersichtlich. Der Beklagten entsteht dadurch auch kein Nachteil, da sie nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung etwaiger Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann. Grundsätzlich besteht für den Kläger mithin ein Anspruch auf Zahlung des restlichen Schadenersatzes in Höhe von 212, 92 €. Hiervon war jedoch eine Wertverbesserung des Fahrzeugs infolge der Reparatur in Abzug zu bringen, welche das Gericht in Anlehnung an das vom Kläger eingereichte Gutachten gemäß § 287 ZPO auf 150,00 € schätzt, sodass der Klage lediglich in Höhe von 62,92 € Erfolg hatte.

Praxis
Das Gericht spricht vorliegend sowohl die Kosten für eine Fahrzeugverbringung als auch die Kosten für eine Fahrzeugdesinfektion aufgrund der Covid-19 Pandemie im Rahmen der konkreten Abrechnung vollumfänglich zu. Die Erforderlichkeit der Kosten ergibt sich aus der Reparaturrechnung, im Fall der Verbringungskosten auch in Verbindung mit dem außergerichtlich eingeholten Gutachten.
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