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Kfz-Haftpflichtschaden – LG Karlsruhe bestätigt zahlreiche Positionen der Reparaturrechnung und weitere Mietwagenkosten

LG Karlsruhe, Urteil vom 30.05.2022, AZ: 10O243/19
Hintergrund
Der Kläger erlitt unverschuldet am 23.03.2019 in Pforzheim einen Verkehrsunfall. Sein Fahrzeug wurde abgeschleppt, und von einem unabhängigen Sachverständigen begutachtet. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Reparaturkosten voraussichtlich 5.694,35 € netto betragen. Der Kläger reparierte in Eigenregie. Seinen entstandenen Schaden forderte er sodann von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners.

Diese erhob Einwände sowohl im Hinblick auf den Haftungsgrund als auch im Hinblick auf die Haftungshöhe. Bei den fiktiven Reparaturkosten nahm sie zahlreiche Abzüge vor und bestritt die Erforderlichkeit der jeweiligen Positionen. Auch die Mietwagenkosten wurden gekürzt. Der Kläger zog vor Gericht und obsiegte.

Aussage
Das LG Karlsruhe bestätigte im Wesentlichen die unfallbedingten Reparaturkosten, wie sie der Sachverständige vorgerichtlich ermittelt hatte. Der Geschädigte habe nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten. Hierbei spiele es keine Rolle, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht repariere. Bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten genüge es im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnete. Der Geschädigte müsse sich allerdings auf eine mühelos, ohne Weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen lassen – dies unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB. Der Schädiger müsse wiederum darlegen und beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt der Qualität in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.

Zu den einzelnen (umstrittenen) Rechnungspositionen holte das LG Karlsruhe ein Gutachten ein. Danach war es notwendig, eine Sichtprüfung des Reifens vorne links vorzunehmen. Auch die Position „Polieren/ Beipolieren“ wurde bestätigt. Diese Arbeiten seien laut Sachverständigem technisch sinnvoll, um Farbtondifferenzen und eine wesentlich kostenintensivere Beilackierung zu vermeiden.

Auch die Kosten der Fahrzeugwäsche und der Entfernung von Bearbeitungsrückständen hielt der Sachverständige für erforderlich. Bei notwendigen Schleifarbeiten komme es unvermeidbar zu Schleifstaub. Im Rahmen der Instandsetzung des Kotflügels ließen sich Bearbeitungsrückstände nicht vermeiden. Es handele sich demnach um Kosten, die gerade wegen der Reparatur erforderlich geworden wären.

Das LG Karlsruhe ging sodann zwar grundsätzlich davon aus, dass sich der Kläger auf einen günstigeren Reparaturbetrieb verweisen lassen musste. Allerdings stellte es gleichzeitig fest, dass es schlicht und einfach nicht stimmte, dass dieser Reparaturbetrieb derart günstiger arbeitete, wie es die Beklagte behauptet hatte, nämlich zu Reparaturkosten in Höhe von 5.028,95 € netto.

Das Gericht hörte den Inhaber des Referenzbetriebs als Zeugen und stellte sodann fest, dass die Reparaturkosten bei deutlich höheren 5.688,16 € gelegen hätten. Der Inhaber stellte in seiner schriftlichen Zeugenaussage klar, dass die auf Beklagtenseite aufgezeigten Stundenverrechnungssätze gar nicht mehr angeboten werden würden. Tatsächlich beliefen sich die Stundenverrechnungssätze für die Karosserie auf 137,45 € brutto und für die Lackierung auf 205,75 € brutto. Auch erhebe man – anders als es die Beklagte behauptet hatte – UPE-Aufschläge auf die Ersatzteile in Höhe von 10 %. Allerdings würden keine Verbringungskosten anfallen, da der Referenzbetrieb eine eigene Lackierung unterhielt. Dass die Reparatur in dem Referenzbetrieb gleichwertig gewesen wäre, bestätigte ein eingeholtes Sachverständigengutachten. Der Referenzbetrieb war von der Dekra zertifiziert worden.

Dass der Referenzbetrieb 16,50 km entfernt war, schadete nach Ansicht des LG Karlsruhe nicht. Die Entfernung stelle in dem hier in Rede stehenden Umfang noch kein Hindernis für eine zumutbare Verweisung dar.

Dass der Referenzbetrieb gegenüber dem vom Gericht bestellten Sachverständigen verschiedene Vereinbarungen mit Versicherungen angegeben hatte, schadete nach Ansicht des LG Karlsruhe ebenfalls nicht. Das Gericht hielt diese Aussage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für relevant. Allein der Umstand, der Referenzbetrieb sei mit Versicherungen vertraglich verbunden, ändere nichts an der Zumutbarkeit der Verweisung.

Weiterhin bestätigte das LG Karlsruhe Sachverständigenkosten in Höhe von 849,07 € wie auch Stand- und Abschleppkosten in Höhe von 641,40 €. Die Kosten für die Hilfestellung beim Gutachten seien ebenfalls zu ersetzen, da sie angefallen seien, um eine sachgerechte Begutachtung des Reparaturaufwands zu ermöglichen.

Die erforderlichen Mietwagenkosten schätzte das LG Karlsruhe anhand des arithmetischen Mittels zwischen den Einzelwerten von Schwacke und Fraunhofer. Ein Aufschlag von pauschal 20 % für unfallbedingte Besonderheiten könne zwar gewährt werden, es fehle hier allerdings an entsprechendem Vortrag auf Klägerseite. Den Eigenersparnisabzug nahm das Gericht in Höhe von 5 % vor. Zusätzliche Kosten der Haftungsreduzierung sprach es unabhängig von dem Umstand zu, ob das verunfallte Fahrzeug entsprechend haftungsreduziert versichert war oder nicht. Für den Zusatzfahrer sah das Gericht 10,00 € pro Tag als angemessen an (laut Schwacke 12,00 € pro Tag). Hier beschränkt es den Betrag auf den tatsächlich durch den Autovermieter abgerechneten Wert. Zugesprochen wurden auch die Mehrkosten für die Winterbereifung.

Praxis
Das LG Karlsruhe beschäftigte sich ausführlich mit einem Verkehrsunfall und klärte zunächst die Haftung dem Grunde nach. Die Beklagte musste sämtliche Schäden aus dem Unfall ersetzen.

Da der Kläger die Reparaturkosten fiktiv abrechnete, erfolgte auf Beklagtenseite wie üblich eine Verweisung an eine angeblich günstigere Referenzwerkstatt. Das Gericht sah hier genauer hin. Die Beweisaufnahme belegte, dass die Zahlen der Versicherung schlicht und einfach falsch waren. Der Inhaber des Referenzbetriebs bestätigte jedenfalls eine entsprechend günstigere Reparaturmöglichkeit bei ihm nicht. Der Referenzbetrieb verlangte auch die üblichen UPE-Aufschläge. Auch dies hatte die Beklagte anders behauptet. Aktuell war der Referenzbetrieb viel teurer als von der Beklagten behauptet.

Da hier maßgeblich für die Höhe der Stundenverrechnungssätze der Schluss der mündlichen Verhandlung ist, kam die Versicherung mit ihrer vorgerichtlichen Kürzung nicht durch. In der Praxis sollte bei der Verweisung der Versicherung auf einen entsprechenden Referenzbetrieb stets genau darauf geschaut werden, ob die Angaben tatsächlich zutreffen bzw. noch zutreffend sind. Oft stützen sich die Versicherer auf alte Zahlen, die so gar nicht mehr aktuell sind bzw. es auch noch nie waren. Bei den Mietwagenkosten wurden zahlreiche Nebenpositionen zugesprochen. Das LG Karlsruhe stellte sogar fest, dass ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt. Hierzu muss dann allerdings detailliert vorgetragen werden.
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