zurück

Fehlende Aktivlegitimation des Sachverständigen aufgrund unklarer Abtretungsvereinbarung

AG Amberg, Urteil vom 09.01.2023, AZ: 1 C 473/21
Hintergrund
Der Kläger (Kfz-Sachverständiger) wurde von der Geschädigten (GmbH) mit der Gutachtenerstellung beauftragt. Den Schadenersatzanspruch auf Zahlung des Sachverständigenhonorars ließ sich der Sachverständige abtreten. Die Abtretung ist wie folgt formuliert: „Ich trete hiermit meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttobetrags der Rechnung des beauftragten Sachverständigenbüros unwiderruflich erstrangig erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des Unfallbeteiligten Fahrzeugs an den Kfz -Sachverständigen ab. Hiermit weise ich den regulierungspflichtigen Versicherer an, die Sachverständigenkostenunmittelbar an das von mir beauftragte Sachverständigenbüro zu zahlen. Das Kfz -Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offenzulegen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkostengegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt. Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der Regulierung wichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet.“ Für das Gutachten berechnete der Sachverständige netto 2.699,10 € netto. Vorgerichtlich zahlte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung 2.245,90 € an den Sachverständigen. Die Differenz von 453,20 € war Gegenstand der Klage, die vom AG Amberg abgewiesen wurde. Der Sachverständige sei nicht aktivlegitimiert gewesen, die Abtretung mangels Transparenzunwirksam.

Aussage
Bei der Geschädigten handelt es sich um eine GmbH. Gemäß § 310 Abs. 1 S. 2 BGB findet der § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auch zwischen Unternehmern Anwendung. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners kann sich daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Die Rechte und Pflichten des Vertragspartners müssen möglichst klar und durchschaubar dargestellt werden, sodass sowohl hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht. Der Vertragspartner soll ohne fremde Hilfe möglichst einfach seine Rechte und Pflichtenfeststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechteabgehalten wird. Die Klausel muss deshalb nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit wie möglich verdeutlichen. Eine Intransparenz kann sich nicht nur bei einzelnen Klauseln aus ihrer inhaltlichen Unklarheit, mangelnder Verständlichkeit oder aus der unzureichenden Erkennbarkeit der Konsequenzen ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung. Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Diesen Voraussetzungen entspricht die in der Abtretungserklärung verwendete Formulierung nicht. Für einen durchschnittlichen Unfallgeschädigten als Auftraggeber hinsichtlich des Gutachtenauftrags wird nicht hinreichend deutlich, welche Konsequenzen ihn treffen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. Der letzte Satz der Klausel sieht vor, dass die Klägerin die Ansprüche gegen den Unterzeichner geltend machen kann, wenn und soweit der Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet .Diese Klausel entspricht im Wortlaut zwar nicht derjenigen Klausel, die dem Urteil des BGH vom 18.02.2020 (AZ: VI ZR 135/19) zugrunde liegt. Gleichwohl entspricht diese Klausel nicht dem Transparenzgebot. Die Klausel, über welche der BGH im Urteil zu entscheiden hatte, sah vor, dass der Auftraggeber in dem Fall, dass die Versicherung keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet, die Forderung zurückerhält. Selbst in dieser sah der BGH einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB. Er führt wie folgt aus: „Der vorletzte Satz der Klausel sieht vor, dass die S die Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen kann, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. Im letzten Satz der Klausel heißt es, dass der Auftraggeber in diesem Fall die Forderung zurückerhält, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner geltend zu machen. Insoweit bleibt offen, zu welchem Zeitpunkt genau der Auftraggeber die Forderung zurückerhalten soll. In Betracht kommen drei Möglichkeiten (und ggf. eine entsprechende Vorleistungspflicht): Erstens bereits bei Zahlungsanforderung durch die S, zweitens gleichzeitig mit der Zahlung des Auftraggebers oder drittens erst danach. Abweichendes ergibt sich nicht aus der Annahme der Revisionserwiderung, die S sei bei Geltendmachung ihres (Rest-)Anspruchs insoweit verpflichtet, den Schadensersatzanspruch zurück abzutreten, und dem Auftraggeber stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu, wenn die S nicht in der Lage sei, die Schadensersatzforderung in Höhe der Inanspruchnahme rückabzutreten. Denn zu einem solchen Recht des Auftraggebers, eine Zug-um-Zug-Leistung verlangen zu können, würden erst interessenbezogene Erwägungen führen, die so von einemdurchschnittlichen Auftraggeber (Unfallgeschädigten) nicht erwartet werden können (vgl. Senat NJW 2019, 51 Rn. 10).Die danach in der Klausel intransparent geregelte Frage, unterwelchen Voraussetzungen der Auftraggeber den erfüllungshalber abgetretenen Schadensersatzanspruch (teilweise) zurückerhält und welche Rechte er in diesem Zusammenhang hat, steht in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang mit der Regelung der erfüllungshalber erfolgenden Anspruchsabtretung selbst und führt deshalb nach § 307 I 1und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit (vgl. Senat NJW 2019, 51 Rn. 11).“Damit liegt in der vorliegend verwendeten Klausel ein Verstoß gegen das Transparenz gebot. Wie bereits ausgeführt ist hinsichtlich der Auslegung auf die Verständnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden abzustellen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der durchschnittliche Geschädigte die Rechtslage richtig einordnen und beurteilen kann, ob, wann und unter welchen Umständen eine Rückabwicklung zu erfolgen hat, wenn seitens der Versicherung keine vollständige Zahlung erfolgt. An einer Regelung diesbezüglich fehlt es. Damit ist die vorliegende Klausel nicht hinreichend klar und verständlich. Es genügt gerade nicht, wenn die konkreten Auswirkungen erst infolge einer intensiven Beschäftigung für den Kunden ersichtlich werden. Aufgrund des Verstoßes gegen das Transparenzgebot ist die Abtretung insgesamt unwirksam, denn die unklare Regelung steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Abtretung. An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte bereitseinen Teil der Rechnung direkt an den Kläger überwiesen hat. Die Bezahlung einer Rechnung– auch nach umfassender Prüfung – rechtfertigt nicht die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 530). Eine vor prozessuale Leistung erfolgt regelmäßig mit dem Ziel, einen Prozess zu vermeiden. In einem dennoch folgenden Prozess ist es der Versicherung nicht verwehrt, sich mit dem Einwand der fehlenden Aktivlegitimation zu verteidigen. Durch die vorbehaltlose vorgerichtliche Begleichung einer Rechnung wird die Forderung oder deren tatsächlichen Grundlagen nicht außer Streit gestellt. Die Berufung auf die fehlende Aktivlegitimation ist demnach nicht rechtsmissbräuchlich.

Praxis
Immer wieder kommt es zu Problemen mit abgetretenem Sachverständigenhonorar – sei es, dass die Amtsgerichte die Rechtsprechung des BGH nicht richtig umsetzten und blind den Textbausteinen der Versicherungsanwälte folgen oder aber (wie hier) die Abtretung tatsächlich unklar formuliert und damit unwirksam ist. Für den Geschädigten, der den Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars abtritt, muss deutlich erkennbar sein, was passiert, wenn die Versicherung nicht oder nur teilweise zahlt. Neben der Tatsache, dass der Sachverständige dann berechtigt ist, den Geschädigten selbst in Anspruch zu nehmen, muss geregelt sein, dass der Sachverständige dann zum einen verpflichtet ist, den Anspruch zurück abzutreten, zum anderen, zu welchem Zeitpunkt die gegenseitigen Pflichten eintreten. Der BGH gibt den Weg vor: Die gegenseitigen Leistungen sind Zug um Zug zu erbringen. Neben der Klarstellung, dass der Geschädigte nach Zahlung und Rückabtretung selbst berechtigt ist, seinen Anspruch durchzusetzen, fehlte dieser entscheidende Satz hier in der Abtretung. Prüfen Sie daher, ob Ihre Abtretungen auf dem neuesten Stand sind und lassen Sie sich im Zweifel im Klageverfahren und nach Hinweis des Gerichts den Anspruch erneut– mit einem wirksamen Formular – abtreten.
hoch
Gratisfahrt nach oben